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Forschungsberichte Nr. 2


Bruno Gräff:
Bewertungsverfahren für Messungen von Luftgeschwindigkeiten in klimatisierten Räumen

Über Bewertungsverfahren für Messungen der Luftgeschwindigkeiten in der Aufenthaltszone klimatisierter Räume sind heute die Ansichten noch sehr geteilt und es werden unterschiedliche Methoden angewandt, die prinzipiell zu verschiedenen Ergebnissen führen müssen.

 

Bewertungsgrundlage ist einerseits das Kriterium des ausreichend schnellen Stofftransports zum Abbau unzulässig hoher Geruchs- und Schadstoffkonzentrationen, andererseits der Einfluss der Geschwindigkeit einschließlich ihrer Schwankungen auf die thermische Behaglichkeit des Menschen.

 

Trotz der geringen Beträge der Raumluftgeschwindigkeiten ist wegen der schnellen Schwankungen ein großes zeitliches Auflösungsvermögen des Anemometers (Zeitkonstante < 1 s) und ausreichende Kenntnis der Richtungsabhängigkeit erforderlich. 

 

Die Direktablesung der schwankenden Anemometeranzeige, die heute noch meist praktiziert wird, ist zu ungenau und führt selbst bei geübten Beobachtern zu ablesungsbedingten Unsicherheiten von +/- 15 % und mehr.

 

Bei der Anwendung des Anemometersignals mit aufwendigeren Methoden sind heute vor allem zwei Verfahren üblich. Beim ersten Verfahren wird Normalverteilung der Geschwindigkeit vorausgesetzt und aus der Häufigkeitsverteilung, die aus Stickproben bestimmt wird, je ein Wert zur Kennzeichnung der Zentraltendenz und der Streuung (meist 50 %- und 84 %-Wert) der Geschwindigkeit ermittelt. Im zweiten Verfahren werden Mittelwert und Standardabweichung mit verteilungsfreien Methoden aus den unklassierten Stichprobenwerten berechnet.

 

Die in beiden Auswerteverfahren gewonnen Ergebnisse werden als gleich betrachtet, sind es aber nicht; vielmehr liegen die mit dem zweiten Verfahren gewonnen höher als die im ersten ermittelten. 

Das erste Verfahren arbeitet mit einer unrichtigen Verteilungshypothese, das zweite liefert zwar korrekte Kennzahlen, Aussagen über die Geschwindigkeitsverteilung sind jedoch damit allein nicht möglich.

 

Bei Vorgabe einer entsprechenden Messvorschrift können Momentangeschwindigkeiten als binomialverteilt betrachtet werden. Das Verteilungsgesetz ist in diesem Fall streng gültig und aus Stichproben lassen sich erwartungstreu Schätzwerte der Parameter der Verteilung ermitteln.

 

Alle verwendeten Verfahren liefern nur dann Kennwerte, die für die zugehörigen Grundgesamtheiten repräsentativ sind, wenn die Stichprobenwerte voneinander unabhängig sind. Wegen der Autokorrelation der Momentanwerte der Geschwindigkeiten muss deswegen die Zeit zwischen der Erfassung zweier aufeinanderfolgender Messwerte, die Tastzeit, ausreichend lang sein.

 

Zur Bestimmung der Tastzeit zieht man zweckmäßigerweise die Autokorrelationsfunktion heran. 

Bei richtiger Festlegung der Tastzeit lässt sich bei Auswertung der Messung mit der Binomialverteilung die Messdauer mit fundierten Methoden über den zur Eingrenzung der Fehlerrisiken erforderlichen Stichprobenumfang optimieren. Zur Bewertung können bei allen drei Verfahren die gleichen Geschwindigkeitsgrenzwerte zugrundegelegt werden.

 

Das auf die Binominalverteilung gestützte Bewertungsverfahren liefert theoretisch besser fundierte Ergebnisse, ohne dass deswegen der gerätemäßige Aufwand größer ist.

 

Die mit dem verbesserten Bewertungsverfahren gewonnen Messergebnisse liefern Hinweise darauf, wo und wie weitere Untersuchungen der Auswirkungen von Luftgeschwindigkeiten auf die thermische Behaglichkeit des Menschen anzusetzen sind.


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